Sonntag, 25. Dezember 2005

MÜNCHEN - FEIERWERK

HOLGER:
München. Da könnte ich einiges drüber erzählen. Da waren wir erst im April. Mit Kettcar. Zum Tourauftakt. Da noch im Backstage und das bitte so nachlesen in Stephans Tourbericht. Heute nun alleine. Im Hansa. Das liegt direkt neben dem Orangehouse, das von außen viel schöner aussieht als unser Entrée. Alles zusammen nennt sich dieser Gebäude-Hybrid „das Feierwerk“. Genial, zwei solch positiv behafteten Worte wie „Feiern“ und „Feuerwerk“ zu vereinen.

Einige Bands spielen auf: „Doppel-D“ und auch „Katze“, deren Sänger Klaus Cornfield früher bei “Throw that beat in the garbagecan” spielte und nun ziemlich dünn und verrückt ist, wahrscheinlich aber auch der netteste Mensch der Welt. Ein wenig erinnert er mich dabei an Lanoo aka Christian Anders und mir fällt dabei auf dass dessen neuer spleeniger Name rückwärts gesprochen “Ünal” ergibt. Verrückt.

Hilly hat mit Klaus in diesem Jahr schon einmal zusammengespielt. Gejammt wurde „Anarchy in the UK“ und zwar zünftig. Hilly erzählt Christian, dass dies im „Sonic Ballroom“ stattfand, ich frage mich nur, was unser Hillsenmann denn nun unter “Jammen“ versteht. Bandintern gibt es nämlich schon lange die schmerzvolle Erinnerung an einen Hilly, der in einem verlassenen Zirkuszelt irgendwo in Bilbao mit zwei betrunkenen Spaniern auch den letzten Hund nach Hause gespielt hat. Im Anschluß an dieses damalige Happening nachts um 2 wurde noch 800 km bis Valencia gefahren ...
Was bleibt also zu berichten? Der Wodka-Lemon ist wie überall in München sehr teuer und bekommt man ihn nicht unter mindestens 6,50 Euro. Das Bier ist sehr speziell ... speziell stark, so dass Christian mich am Ende der Nacht mit einem Tisch beschmeißt, um gleich danach noch mit einer Kommode nachzulegen. Verdammter Dirrrty C! Beides muss am nächsten Morgen repariert werden, auch weil Stephan die - für das Zimmer hinterlegte – Kaution gerne wieder hätte. Dabei friert es, aber in München da scheint sie immer, die Sonne.

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HANNOVER - GLOCKSEE

HOLGER:
Auf nach Hannover! Das ist gar nicht weit, man fährt lediglich um die 2 Stunden von Paderborn aus, selbst an einem meteorologisch schwer einschätzbaren Freitag wie diesen, den 09.12. Das Cafe Glocksee ist schön, selbst wenn es vollkommen leer ist, nachmittags um 2. Mir persönlich ist es ein wenig zu bemalt, aber dieser Schmuck der Städte, der ist hier wohl so gewollt. Was folgt ist das beste Catering auf der Tour, von allem etwas, aber auch Einladen, Soundchecken, Warten ... all das, was aus gutem Grund in der Mötley-Crüe-Biographie mit keinem Wort erwähnt wird.

So langweilt sich Hilly, zieht seine Kreise wie ein eingesperrter König
der Steppe, weiß nicht wohin mit sich, aber bei der Tourlangweile ... da ist man alleine ... nur ein Bier scheint ihn ab und an aufzuheitern ...
Was bleibt zu erwähnen? ... Tiger Lou spielen auf, dies ganz fantastisch, aber wir gehen auch an diesem zweiten Abend direkt nach dem Auftritt und dem Einladen ins Bett. Wer weiß, was noch kommt? Ab eins platzt die gute Frau Glocksee aus allen Nähten und Hella, Stephan, Rumpel und Humbertinchen bleiben doch bis um 5.

PADERBORN - KULTURWERKSTATT

HOLGER:
Hier waren wir auch schon mal. Dirrty und ich überlegen, wann genau das war und nun weiß ich es. Ende 2001. Im großen Saal, damals mit Maximilan Hecker, der seinerzeit seine Eltern zu Besuch hatte. Was er wohl momentan macht, der Maxi?
Es wird also aufgebaut, im kleinen Saal und weil ich so nervenschwach bin, lege ich mich nach dem Soundcheck schlafen, tue dies aber nicht wirklich, auch weil ich in den kommenden zwei Stunden hochkonzentriert alle auf den Parkplatz anfahrenden PKWs mitzähle und dabei einen groben Schnitt von 40 Besuchern hochrechne. Ein seit Tourjahren praktizierter Ritus, der meine Panik hinsichtlich der Besucherzahlen, noch zu steigern weiß.

Irgendwann bin selbst ich dessen überdrüssig und stelle beim Betreten des Saales fest, dass in Paderborn anscheinend sehr große, sehr geräumige Fahrzeuge im Umlauf sind. Der Club ist voll!

Hillsenmann widersetzt sich einem bandinternen Motivationskreis kurz vor der Show, so dass dieser im Verlaufe der Tour von niemandem auch nur noch erwähnt wird. Alle Songs, auch die neuen, die wir dabei haben werden gespielt und während die Einheimischen anschließend noch einhellig auf einen Besuch des Nachtlebens drängen, drängt es leider alle innerhalb der Band ins Bett, wohlwissend: Dies ist erst Tag 1!

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Montag, 8. August 2005

NEUERUNGEN GALORE

Damit wir alle vollkommen auf dem Laufenden bleiben, gibt es ab sofort alle Nase lang was in diesem Blog zu lesen. Ja, wir machen es uns nicht ganz so einfach. Nicht mehr nur die Erinnerung wird bemüht werden, sonst alles kommt jetzt schwupp-wupp direkt innerhalb der nächsten zwei bis drei Tage nach dem Auftritt hier rein.

Wir müssen es uns ja immer selbst schwer machen… verdammt. Gut, dass die nächste Tour noch was hin ist, dann wird’s nämlich wirklich eng mit dem Zeitplan.
Also dann ab hier dann schon mal oben drüber die Geschichten zum ‚Rock Am Bach Festival“

Sonntag, 31. Juli 2005

TAG 05 – HAMBURG // GRÜNSPAN

Ab jetzt wird’s dann kuschelig. Unsere Rocker-On-The-Road machen Halt in Hamburg und das für ganze drei satte Tage. Kettcar’s Fame und die meilenweiten Schlangen vor den Kartenhäusern machen es möglich.

Der Tag beginnt wieder entspannt. Es giesst wie aus Kübeln in der Karl-Marx-Strasse und wir fühlen uns fast wie zu hause im schmucken Aachen: Nicht umsonst heisst es in der Vereinshymne „Immer wenn es regnet gewinnen sie jedes Match“.
Humberto führt uns in ein kleines Eckhaus, dass O-Ton „das beste und billigste Frühstücksbuffet in ganz Berlin hat“. Glauben wir gerne, aber wir stellen erschrocken fest, dass es drinnen noch um einiges dunkler als da draussen im Regen ist – Brauchen wir eben keine Sonnebrillen mehr. Das Buffet ist tatsächlich satt gedeckt und der Preis von 3,90 Eur wird nur schwer zu schlagen sein, aber an irgendetwas erinnert mich das ganze Ambiente hier. Kennt noch jemand die „Die Wicherts von Nebenan“? Moebelunion und Teenstag, Schnuppe und Die Harmonie? Eben, und genauso sah die Gaststätte aus, exakt so wie das Gesangslokal in dem die immer ihre treudoofen Lieder geträllert haben.

Egal, der Regen lässt nicht nach und wir machen uns auf die kurze Fahrt nach Hamburg.
Läuft alles glatt, die Strecke rollt aus dem Eff-Eff und Hilly spielt mangels Tonmann Friedel vollkommen alleine das Autokennzeichen-Spiel. Es lässt sich nicht leugnen, wir kommen so langsam rein in diese Tour und der Wahnsinn schleicht sich tief in unserer fröhlichen Hirne.
Nach 56 Umdrehungen und 15 verpassten Anfahrtsmöglichkeiten ist das Grünspan endlich gemeistert und ab zum üblichen routinierten Ablauf. Massig was angelaufen da heute, Kettcar werden live über NDR3 zu hören sein, geschätzte 50 Male werden sich diverse Interviewtermine zugerufen und allgemein steht Göttchen – ihr erinnert Euch? - tief mittendrin. Zu den Tönen von „Deiche“ auf der Bühne baue ich das Set auf und stelle zutiefst erschrocken fest, dass sich im Chaos gestern Abend wohl ein Fuss der Bassdrum seine Freiheit genommen hat… Kurz gesagt: Weg ist er, dahingegangen und auf einem Fuss steht es sich schlecht auf der Bühne und ein Betonsockel der auch die Sixtinische Kapelle stützen könnte, muss dann als kläglicher Ersatz herhalten…. Naja, man kann eben nicht alles haben.

Apropos „haben können“ – T-shirts sind weg! Klingt dramatisch kurz und ist es auch. Nach intensiver Befragung aller Beteiligten steht innerhalb einer knappen Stunde fest „Nee, nichts zu machen. Im Bus ist nichts, hier drin auch nicht, also futsch die Jerseys. Alles andere ist aber da, also muss jemand ein Schild malen“
Gut, gut C. Krings ist gerade noch davon abzuhalten den monetären Gegenwert jetzt und sofort aus dem Automaten ziehen zu wollen, aber ansonsten sind wir mal wieder ganz die Profis die wir so gerne wären. „Solange der Rest noch da ist! Was soll’s, die tauchen schon wieder auf. Lass mal in Berlin anrufen!“ Krisen-Managment at it’s best also. Was sind schon ein paar Shirts gegen den Auftritt heute Abend? Eben, nichts! Es fragt ja auch keiner nach dem ‚Warum?’, wenn es ein ‚Dahin!’ gibt.

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Der Auftritt verläuft natürlich superst, wir sind locker, die Songs gehen gut von der Hand und niemand springt mir heute irgendwohin. Also dann, auf ins Getümmel, genügend Leute die geherzt werden wollen sind ja da draussen zu finden. Die halbe Soulmate-Bande ist anwesend, dreiviertel Omahd auch, Fr. Geratz hat Geburtstag, eine Menge uns bekannter Menschen will begrüsst werden und das eine oder andere Glas ist uns allen auch noch viel zu voll. Soll heissen: Das wird gemacht hier, das ist Hamburg und nicht ohne Grund legen wir diese Stadt immer ans Ende jeder Tour… und dann jetzt auch noch drei Tage hintereinander. Wo soll das nur hinführen?

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Es wird wieder heiss und so verdingen wir uns während die Heimspieler zugange sind im Foyer weiter. Die Ruhe legt sich dann doch nach dem Sturm und wir rennen schnell in die Kogge zurück um die schmutzige Wäsche gegen was Sauberes zu tauschen. Zurück gekommen verabschiedet sich Reimer mit den Worten „Nee Jungs, ich muss morgen früh raus, muss um 8 im Büro sein. Könnt ja mal vorbei, aber bringt 'nen Kaffee mit“ von allen und das ist ein wirklich bewundertswerter Satz im Rocker-Kosmos. Hört man nicht oft, aber die sind ja schliesslich hier zu hause und haben da quasi die eine oder andere Verpflichtung mehr zu erledigen. Ausserdem geht es morgen in die ‚Grosse Freiheit 36’ rüber und da ist man ja qua der Historie schon mehr als verpflichtet sich ordentlich vorbereitet zu haben. Denken wir auch noch, aber irgendwie will uns das auch so ganz und gar nicht gelingen mit den guten Vorsätzen. Der Bus bekommt einen zwielichtigen Parkplatz gegönnt und wir begeben uns auf die Tour-de-Force durch Hamburgs Nachtleben.

Soweit, so schön alles: Der Abend endet mit dem Morgen, eine komische Kneipe mit viel, sehr viel uraltem Punkrock ist der letzte Punkt des heutigen Tages. Hilly macht komische Sachen auf der Tanzfläche, irgendwer hält einen hübsch geschminkten Kerl für ein noch hübscheres Mädchen und ich denke den ganzen Rest der nächtlichen Dunkelheit nur noch „It wouldn’t glitter if it wasn’t gold“. Was für einen Glanz, was für eine Macht das alles doch hat! Sechs Menschen auf der Reise, Fünf Jungs jeden Abend auf der Bühne und alle gemeinsam auf Konfrontationskurs mit der Wirklichkeit.

Belassen wir es dabei: Gegen Mittag ist Interview, der Morgen muss angezählt werden für jetzt.

Samstag, 23. Juli 2005

TAG 04 - BERLIN // COLUMBIA CLUB

Ein entspannter Tag beginnt mit einem lauen „Guten Morgen!“ und der Suche nach einer freien Dusche mit anschliessendem reichhaltigen Frühstück.

Ja, so sieht es aus, alles wie gehabt an der Auftstehtfront: Hilly macht ein zerknirschtes Gesicht ob der Erlebnisse der gestrigen Nacht, keiner hat so richtig Lust aufzustehen und der Geruch von alten Männern schwebt ein ganz klein wenig durch den Raum.
Wir lassen uns etwas mehr Zeit, das ist ja nun keine Strecke zu fahren heute – Dachten wir jedenfalls an dieser Stelle noch, aber das wird sich noch ändern. Wäre ja gelacht, wenn man einmal Recht behalten könnte, was die Dauer der Fahrtzeit angeht.

Wieder also alle rein in den schmucken Bus und ab auf die Autobahn, irgendwie haben es alle eilig nach Berlin zu kommen, aber keiner weiss so recht warum. Jugendlicher Übermut? Das Trucker-Gen in uns allen? Keine Atempause, Asphalt-Kilometer werden gemacht?
Vielleicht alles zusammen, aber Fakt ist, wir kommen schneller an, als ein Berliner Taxifahrer das Fahrtziel falsch verstehen kann. Klingt krude im Vergleich? Abwarten, dazu unten mehr.

Da es irgendein geringerer Gott im Rockerhimmel so festgemeisselt hat, sind alle Wegbeschreibungen vollkommen unvollständing, schwer verstehbar und meistens auch noch mit einer bleistiftgekritzelten Vorlage über ein Faxgerät geschickt worden.
Glaubt mal wieder keiner, ich weiss, aber hier ein kleines Anekdötchen am Rande: Als wir zum ersten Mal in Bielefeld gespielt haben, suchte ich aufgrund so einer Wegbeschreibung doch tatsächlich den ‚Ostmatiten-Damm’. Den sollten wir nehmen, um direkt bis in die Innenstadt vorzudringen und dann wären wir schon nahe am Club unserer Wahl.
Ja, schön auch, nur wer zur Hölle kennt einen germanischen Volksstamm namens „Ostmatiten“? Ostgoten sicherlich ja, aber das kam uns doch etwas spanisch vor.
Also rein in die nächste Tankstelle und flugs das Ansinnen vorgetragen und vehement auf die entsprechende Stelle des kopierten Blattes getippt. Der Blick der mich daraufhin traf schwankte zwischen Unglauben und taktvoller Amüsiertheit. „Tja, das sieht wirklich so aus, aber das ist der Ostwestfalen-Damm. Rate mal wo du hier bist? Genau, Ostwestfalen!“
„Ähemm.. Ja nun denn. Danke dann“ konnte ich schwer getroffen gerade noch murmeln und seitdem ist „Ostmatitendamm“ für uns ein feststehender Begriff . Eben alles, was aufgrund schlechter und fünfzehnmal kopierter Wegbschreibungen partout nicht auffindbar ist.

Wiedemauchsei, jedenfalls finden wir gerade noch so die richtige Abfahrt vom Berliner Ring und danach nur noch wirres Zeug. Nichts lässt sich auf gar keinen Fall mit der Realität ausserhalb des Busses in Verbindung bringen. Da haben wir dann noch was mehr von Berlin gesehen, als uns lieb ist und ich weiss jetzt auch, wo der Flughafen Schönefeld ist - falls man da wirklich mal hin müsste. Dank RockyBeachClubs Sonja und ihrem telephonischen Lotsensystem kamen wird dann schlussendlich quer durch den Berufsverkehr zum Columbia Club.

Der Parkplatz ist voll mit dicken Bussen und massig schweren Trucks. Was ist denn hier bitte los? Haben sich Kettcar für heute die Pyro-Show von Rammstein ausgeliehen? Kaum ausgestiegen entdecken wir ein riesiges „Robert Plant“ auf einem der Busse und ich ahne Schreckliches… Und wirklich, nebenan in der Halle spielt heute noch der alte Schreihals des Stadionrocks, das wird ja ein Fest werden.
Obwohl das eigentliche Fest für uns sich ja drinnen bietet: Ein riesiges, gerade frisch zubereitetes Buffet wartet auf die hart arbeitenden Rocker der beiden Bands und wir wollen uns ja nicht lange bitten lassen. Sieht alles nach einem entspannten Abend aus und wird es dann auch. Soundcheck geht schnell von statten und der Auftritt kommt auch schneller als wir es im zeitlichen Gefühl haben und wir bekommen immer mehr ein gutes Gefühl bei den neuen Songs. Leider lässt sich kein Teppich als rutschfeste Unterlage auftreiben und so verbringe ich einen Grossteil der Pausen zwischen den Songs damit, alles irgendwie wieder in Reih und Glied zu bringen.
Bei ‚Town Called Malice’ gerät dann alles vollends aus dem Ruder und Holger nickt mir kurz zu. Noch ehe ich verstehe worum es denn geht, springt er direkt in einem formvollendeten Bogen mitten rein in den Schlamassel. Ich lasse mich noch geistesgegenwärtig nach hinten fallen und versuche nicht ganz wie eine Schildkröte im freien Fall auszusehen.

berlin 03



So, also Arbeit erledigt, das haben The Who auch nicht formschöner hinbekommen und wir gehen folgsam von der Bühne, damit Holger und Jonas den Abend für uns beschliessen können.
Der Rest ist dann Essen, Leute treffen und wiedersehen und versuchen, dass die Nacht noch ein wenig weitergeht. So ist dann kurz nach dem grossen Einräumen der beiden Busse eine kleine Armada von Taxen in Richtung ‚Ankerklause’ unterwegs. Wir beissen uns da an der Theke fest, treffen noch mehr uns bekannte Personen und verbringen sehr wenig Zeit damit, der Jukebox ein paar Kuriositäten zu entlocken. Als dann endlich alle Fiesheiten der Rockgeschichte durch sind und der Pegel gefährlich nahe der Ich-kann-nicht-mehr-schlafen-Grenze ist, machen wir uns auf den Weg in die Karl-Marx-Strasse.

Und ab jetzt geht der Tag weiter, wie er angefangen hat: Ziemlich ortsverwirrt! Wir quetschen uns mit allem Gepäck in die nächstbesten Taxen und ich wundere mich dank ein klein wenig Ortskenntnis der Innenstadt, welche Strassen wir hier benutzen. Der Fahrer will wahrscheinlich noch was Extrageld verdienen. „Na schön“ denke ich „Soll er doch. Soviel wird’s schon nicht werden können“. Irgendwann versuche ich zu erkennen, wo wir jetzt nun wieder lang fahren und überlege, ob ich dezent ungehalten werden soll. Aber Schokschwerenot und Zugenäht, der Kerl fährt doch tatsächlich nach Friedrichshain rein! Als er an einer grossen Strasse anhält und „Ja, da wären wir dann… Macht Zehnachtzig!“ sagt, wird mir alles auf einmal viel klarer.
Ich schaue ihn verwundert an und sage nur „Ähh ja, das ist schön hier, so gross und bedeutsam. Aber, na ja… die Karl-Marx-Strasse ist dies aber leider nicht wenn ich mich richtig erinnere“.
Für einen kurzen Moment schaut er verwirrt drein, schaut auf die Strasse hinaus, schaut mich an, dreht sich wortlos wieder um und macht das Taxameter aus. „Oh hmm.. ja das ist blöde. Ich hatte Allee, nicht Strasse verstanden. Naja, das brauchen sie jetzt nicht zu bezahlen ab hier, okay?“
Ja, natürlich ist das vollkommen okay, kann ja jedem mal passieren und wir sind auch nicht gerade die leuchtenden Sternschnuppen des Wegfindens. Also Schwamm drüber, wir kommen noch nach Neukölln und legen uns schnellstens schlafen.

berlin 04

Morgen ist ja auch noch ein Tag für Spässe…

Mittwoch, 1. Juni 2005

TAG 03 - DRESDEN // STAR CLUB

Also, dann... Schneller soll es werden! Härter, aufwühlender, jeder Schuss ein Treffer. Keine grossen und langen Sätze mehr, das ist nunmal keine Doktorarbeit hier. Grosse Gefühle und kleine Geschichten wollen erzählt werden. Romantik neckt Panik oder so - und da will ja keiner so richtig hinten anstehen. Also seid dabei, von hier bis ganz dahinten!

Sechs nicht mehr ganz taufrische Burschen schlafen immer noch den Schlaf der Entspannten auf einem Parplatz kurz hinter Hof. Das war ja mal so ein richtiger Begriff in der alten BRD... also Hof meine ich, nicht Parkplatz. Da war immer Stau an der Grenze zur SBZ und einmal im Jahr bekam man auch noch "Wetten Dass?" aus irgendeiner Grössenwahnsinns-Halle präsentiert. Ob man damals den Ostlern zeigen wollte, dass es noch schlimmer geht? Frei nach dem Motto "Ach bleibt doch da drüben, wir haben hier auch nur Rotz fürs Volk übrig!"? Wer weiss, aber das sind wirklich die einzigen Dinge die ich mit Hof verbinde. Armselig, ich weiss.

Aber die Sonne scheint trotzdem fröhlich weiter auf pittoreske Landschaften. Solche, die man den Amis immer so gerne als 'typical german' anpreist. Ihr wisst schon: Grüne und schön geschwungene kleine Hügel die sich optisch hervorragend um die mit maximal 200 Leuten beseelten Orte legen. Da wird einem warm ums Herz, das klingt so richtig nach den Gebrüdern Grimm.

dresden_01

Irgendwann schälen sich die Gestalten aus dem Wagen, man macht sich morgenfrisch fertig und begibt sich auf die Suche nach einer Fast-Food-Kette. Irgendwie wirkt das von weitem sichtbare M ein wenig deplatziert, ja fast schon obszön in dieser Landschaft. Egal, vergessen wir mal Kultur und Landschaftsimpressionen, wir haben Hunger und die haben Mahlzeiten mit All-You-Can-Drink-Option.

Die dicken und herrlich rosarot eingefärbten Schinkenwaren ignoriere ich wie immer und bestelle das Übliche: "Einmal EggMcMuffin ohne Schinken und auch so ein Croissant-Ohne bitte werte Dame.... Ach so, ich nehme noch einen Schoko-Muffin und zwei Kaffee dann. Bitte keinen O-Saft."
"Ha ha... ja Peggy hast du das gehört? Alles ohne Fleisch will der... Na das schmeckt doch gar nicht Junger Mann. Und Muffins haben wir auch nicht mehr... Alles gestrichen"
Ja, ja gute Frau die Leier kenne ich schon. Fleisch ist der Ersatz für Geschmack, schon klar. Bayern machte es vor und hier wird sich weiter der Fleicheslust hingegeben.
Natürlich, das ist hier ein Burgerladen, aber man kann ja wohl nach der ankündigungslosen Streichung des GemüseMacs verlangen, dass es wenigstens ein essbares Gericht ausserhalb des Salad-Universums gibt. Schlussendlich bekomme ich dann doch alles so wie ich es wollte, begleitet von einem mildtätigen Lächeln der Kassiererin.

Obwohl die Zeit immer noch nicht zur Eile drängt, brechen wir doch irgendwann auf. Es ist nicht mehr weit bis Dresden und wir finden uns schneller als gedacht in der Dresdener Neustadt wieder. Anders als diese ominöse Wiener Neustadt, liegt die wirklich in der Stadt drin. Wir Piefkes wollen ja nicht so verwirren wie die Ösis.
Gut, das Hostel ist einmal über die Elbe und vorbei an allen Sehenswürdigkeiten und somit weitestmöglich vom Star Club weg, aber dafür haben wir ein nettes Mehrbettzimmer und einen kleinen Balkon zur Strasse raus. Dieser Teil Dresdens entpuppt sich als durchaus gelungene Mischung aus Schanzenviertel, Friedrichshain und Ehrenfeld. Würde sowas irgendwo im Westen existieren, müsste man wohl für die Miete einen langlebigen Kredit aufnehmen oder sein Glück mit dubiosen Termingeschäften an der Börse probieren.
Schön, sehr gelungen hier und wie immer denke ich, dass es so wohl überall vor dem Krieg ausgesehen haben muss. Manchmal bekommt man fast den Eindruck, dass das mit der Zerstörung Dresdens ein wenig übertreiben sein könnte oder man hat einfach in der DDR nicht das Geld gehabt alles nachher abzureissen. Kommt doch einfach mal nach Aachen, da wurde sich stadtplanerisch sehr schön ausgetobt in den Fünfzigern. Einfach die Planierraupe drüber und gut ist.

Wir begeben uns erstmal ins Bett und holen etwas mehr an Schlaf nach. 2 Stunden später machen wir uns hübsch, fahnden nach sauberen T-Shirts zwischen alten Socken und fahren die ganze Strecke zum Star Club zurück.

Der alten paleschen Tradition folgend, kramt jeder in seiner eigenen Erinnerung und versucht den Weg ab der Hauptstrasse zu erinnern. "Jetzt hier links... Nein, rechts!... Ach ja, hier war ich doch letztes Mal mit Holger Akkus kaufen, müssen wir doch links" schallt es lautstark durch den Innenraum des Busses. Der Geräuschpegel nimmt schnell weiter zu und schliesslich entdecken wir einen hoffentlich Ortskundigen.
Nach einer apathischen Nachdenksequenz gesellt er sich mit dem gerne gehörten Satz: "Jungs, ich muss da auch hin, wenn ihr mich mitnehmt, zeige ich euch den Weg!" zu uns in den Wagen. Es fallen Sätze wie "Star Club? Links hier... Ach mensch, da war ich früher auch immer" und "Natürlich schon lange her, war ja damals ein Kino... Hatte ich damals Mädchen, usw...".
Wir entlassen den Mann direkt vor dem Club aus dem Wagen und Hilly schafft es ihm vollkommen unpeinlich und liebevoll eine Dose Bier als grosses Dankeschön anzudienen.

Also alles rein da, die steilen Stufen zum Konzertraum hoch. Die Burschen von Kettcar machen schon wieder Soundcheck und so verlaufen wir uns mal wieder ein wenig im Backstageraum. Der ist eigentlich eine komplette Wohnung und immer irgendwie in zwielichtigen Schein getaucht - Ja, so hat man es natürlich gerne... Es weiss sowieso niemand wie spät es nun wirklich ist, da die einzigen allgemeingültigen Zeiteinheiten auf Tour "Vor-Der-Show" und "Nach-Der-Show" heissen.

Zum Soundcheck schafft es der örtliche Tonmensch Christian aus der Fassung zu bringen. Das sieht man nicht oft und daher erzähle ich es euch auch schnell:
Christian hört nichts aus den Monitorboxen, weder sich noch die anderen Menschen um ihn herum auf der Bühne. Nicht gut, eher sogar schlecht.. Weil, der muss ja nun auch singen im Chor. Kann man wie die Preluders machen und alle tuten den gleichen Ton, aber wir handhaben das ja nach guter, alter Tradition in Mehrstimmig.
Durch den Lärm bedeutet er immer wieder, dass da nichts rauskommt und erntet erstmal nur ein Achselzucken, dann ein verärgertes Gesicht. Schliesslich schlufft der Techniker doch noch nach vorne, legt ein Ohr an die Box und hebt den Daumen zum "Okay! Alles super. Geht doch... Kommt was raus" Zeichen.
Christian macht es ihm nach und schüttelt den Kopf. Achselzucken auf der anderen Seite und weg ist der gute Mann. Christian steht wie angewurzelt auf der Bühne und man sieht ihm an, dass er nicht weiss, wie er das jetzt noch weiter erklären soll. Es scheint entweder die Gebärdensprache eine andere zu sein oder einer von beiden ist sehr schnell, sehr taub geworden.
Sein Mund geht auf, klappt wieder zu, er schaut sich zu mir um und tippt sich an die Schläfe. Ich lächle etwas unbestimmt und zucke meinerseits die Achseln. Schliesslich dreht sich Christian nochmal um, schüttelt den Kopf und schaut den Rest des Soundchecks nur noch konsterniert vor sich hin.
Später lässt sich nur noch berichten, dass zwar nicht viel, aber immerhin wohl etwas zu hören war... Habe jedenfalls keinen falschen Ton bemerkt soweit.

Der Rest ist wie in den letzten Tagen: Laden rappelvoll, Auftritt super und wir fühlen uns jeden Tag wohler mit den neuen Songs. Alles geht gut, einige Leute scheinen schon beim letzten Mal hiergewesen zu sein und etliche singen "Goodbye Trouble" veträumt mit oder wippen mit dem Fuss. Ein gutes Gefühl bis hierhin.

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Danach schlängeln wir uns durch die Menge vor den Konzertraum, treffen noch den ein oder anderen netten Menschen und wir wollen uns heute mal den Auftritt von Kettcar ansehen. Ging ja mangels Platz nicht in München und Wien, aber der Star Club hat einen Versorgungsgang im Aussenrum und man landet direkt zwischen Bühnenrand und Merchstand.

Ich schaue mir die ersten 4 Songs in Ruhe an, nehme mir irgendwann mein abgstelltes Bier von einem der Tresen und plötzlich packt mir jemand an die Schulter.
"Na dachtste wohl ich wollte dein Bier klauen oder? Nee, so sind wir hier nicht"
Ich antworte schnell, dass dem nicht so sei, ich hätte nur Durst. Ich ziehe den Handrücken über die Stirn und murmele "Ist ja auch verdammt warm hier drin nicht?"
Sehr zärtlich aber bestimmt werde ich weiter an den Koloss herangezogen und er spricht mit lauter und sehr feuchter Stimme einfach weiter in mein Ohr.
"Hör mal, meinst du Kettcar spielen auch mal bei uns? Wir machen ja eigentlich nur Metal und so, aber wir sind ja alle gegen die Nazis oder nicht?" dringt es wirr zu mir durch.

Naja, was soll ich dazu sagen? Bin ja schliesslich nicht der Manager der Hanseaten. Ich will zum Aufklären der Situation ansetzen, aber da ist die Lücke in seinem Redeschwall auch schon vorbei.
Verstehen tue ich zwar nichts von dem was er da sagt, aber wenigstens er scheint sich prächtig dabei zu amüsieren. Immer wieder zwickt er mir in die Schulter oder knufft mir auf den Rücken, während ich öfter mal wieder zur Bühne rüber schaue um wenigstens noch einen klitzkleinen Teil der Show mitzubekommen.
Ich verstehe nur noch Sachen wie "Estnischer Doom-Metal... Geile Typen... Fahren soweit für einen Gig. Super die Jungs" und wundere mich nur noch weiter, was das denn alles soll.
Schliesslich befreie ich mich in einer Redepause mit dem sagenhaft cleveren "'Tschuldige, ich muss mal... Ja sicher, wir reden gleich weiter" und verpisse mich nach draussen. Mist, schon wieder nicht viel mitbekommen vom Auftritt.

So lungern Christian und ich vor dem Eingang herum und beobachten Jonas beim Gespräch mit seinem Vater. Der ist nämlich Professor an der hiesigen Musikhochschule, man sieht, manchmal liegt also doch alles in den Genen. Eine kleine Anzahl an Menschen hält die Hitze drinnen wohl auch nicht aus, gesellt sich zu uns ins Treppenhaus und irgendwann unterschreiben wir einige Plakate und CDs, unterhalten uns nett und haben weiterhin einen schönen Abend.

Danach wird schnell abgebaut, die Busse werden beladen und man erzählt sich den Rest der Nacht noch die ein oder andere Tourgeschichte im Backstageraum.
Irgendwann ist dann doch das Bier alle - wir können da natürlich nichts für, selbstredend - aber der Plan noch wegzugehen wird leider wieder verworfen. Kettcar müssen am nächsten Morgen in Berlin in eine Schule zum Musikunterricht - Nein, nicht zum Lernen, sondern um sowas wie einen Workshop zu veranstalten. Habe ich so verstanden, muss ich aber nochmal nachfragen. Klang aber sehr spassig und aufregend.

Wir begeben uns also wieder in die Neustadt und machen dann schnell das Licht aus. Nur Hilly verstrickt sich noch mit zwei anderen Gästen in irgendeine theologische oder philosophische Diskussion... was eben zwei bekiffte und ein betrunkener Mensch sich so zu erzählen haben.

Der Rest geht morgen in Berlin weiter und das heisst ausschlafen und entspannt fahren.
Wieder mal zu Dank verpflichtet,
Stephan
PALE TOURDIARY

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