TAG 03 - DRESDEN // STAR CLUB
Also, dann... Schneller soll es werden! Härter, aufwühlender, jeder Schuss ein Treffer. Keine grossen und langen Sätze mehr, das ist nunmal keine Doktorarbeit hier. Grosse Gefühle und kleine Geschichten wollen erzählt werden. Romantik neckt Panik oder so - und da will ja keiner so richtig hinten anstehen. Also seid dabei, von hier bis ganz dahinten!
Sechs nicht mehr ganz taufrische Burschen schlafen immer noch den Schlaf der Entspannten auf einem Parplatz kurz hinter Hof. Das war ja mal so ein richtiger Begriff in der alten BRD... also Hof meine ich, nicht Parkplatz. Da war immer Stau an der Grenze zur SBZ und einmal im Jahr bekam man auch noch "Wetten Dass?" aus irgendeiner Grössenwahnsinns-Halle präsentiert. Ob man damals den Ostlern zeigen wollte, dass es noch schlimmer geht? Frei nach dem Motto "Ach bleibt doch da drüben, wir haben hier auch nur Rotz fürs Volk übrig!"? Wer weiss, aber das sind wirklich die einzigen Dinge die ich mit Hof verbinde. Armselig, ich weiss.
Aber die Sonne scheint trotzdem fröhlich weiter auf pittoreske Landschaften. Solche, die man den Amis immer so gerne als 'typical german' anpreist. Ihr wisst schon: Grüne und schön geschwungene kleine Hügel die sich optisch hervorragend um die mit maximal 200 Leuten beseelten Orte legen. Da wird einem warm ums Herz, das klingt so richtig nach den Gebrüdern Grimm.
Irgendwann schälen sich die Gestalten aus dem Wagen, man macht sich morgenfrisch fertig und begibt sich auf die Suche nach einer Fast-Food-Kette. Irgendwie wirkt das von weitem sichtbare M ein wenig deplatziert, ja fast schon obszön in dieser Landschaft. Egal, vergessen wir mal Kultur und Landschaftsimpressionen, wir haben Hunger und die haben Mahlzeiten mit All-You-Can-Drink-Option.
Die dicken und herrlich rosarot eingefärbten Schinkenwaren ignoriere ich wie immer und bestelle das Übliche: "Einmal EggMcMuffin ohne Schinken und auch so ein Croissant-Ohne bitte werte Dame.... Ach so, ich nehme noch einen Schoko-Muffin und zwei Kaffee dann. Bitte keinen O-Saft."
"Ha ha... ja Peggy hast du das gehört? Alles ohne Fleisch will der... Na das schmeckt doch gar nicht Junger Mann. Und Muffins haben wir auch nicht mehr... Alles gestrichen"
Ja, ja gute Frau die Leier kenne ich schon. Fleisch ist der Ersatz für Geschmack, schon klar. Bayern machte es vor und hier wird sich weiter der Fleicheslust hingegeben.
Natürlich, das ist hier ein Burgerladen, aber man kann ja wohl nach der ankündigungslosen Streichung des GemüseMacs verlangen, dass es wenigstens ein essbares Gericht ausserhalb des Salad-Universums gibt. Schlussendlich bekomme ich dann doch alles so wie ich es wollte, begleitet von einem mildtätigen Lächeln der Kassiererin.
Obwohl die Zeit immer noch nicht zur Eile drängt, brechen wir doch irgendwann auf. Es ist nicht mehr weit bis Dresden und wir finden uns schneller als gedacht in der Dresdener Neustadt wieder. Anders als diese ominöse Wiener Neustadt, liegt die wirklich in der Stadt drin. Wir Piefkes wollen ja nicht so verwirren wie die Ösis.
Gut, das Hostel ist einmal über die Elbe und vorbei an allen Sehenswürdigkeiten und somit weitestmöglich vom Star Club weg, aber dafür haben wir ein nettes Mehrbettzimmer und einen kleinen Balkon zur Strasse raus. Dieser Teil Dresdens entpuppt sich als durchaus gelungene Mischung aus Schanzenviertel, Friedrichshain und Ehrenfeld. Würde sowas irgendwo im Westen existieren, müsste man wohl für die Miete einen langlebigen Kredit aufnehmen oder sein Glück mit dubiosen Termingeschäften an der Börse probieren.
Schön, sehr gelungen hier und wie immer denke ich, dass es so wohl überall vor dem Krieg ausgesehen haben muss. Manchmal bekommt man fast den Eindruck, dass das mit der Zerstörung Dresdens ein wenig übertreiben sein könnte oder man hat einfach in der DDR nicht das Geld gehabt alles nachher abzureissen. Kommt doch einfach mal nach Aachen, da wurde sich stadtplanerisch sehr schön ausgetobt in den Fünfzigern. Einfach die Planierraupe drüber und gut ist.
Wir begeben uns erstmal ins Bett und holen etwas mehr an Schlaf nach. 2 Stunden später machen wir uns hübsch, fahnden nach sauberen T-Shirts zwischen alten Socken und fahren die ganze Strecke zum Star Club zurück.
Der alten paleschen Tradition folgend, kramt jeder in seiner eigenen Erinnerung und versucht den Weg ab der Hauptstrasse zu erinnern. "Jetzt hier links... Nein, rechts!... Ach ja, hier war ich doch letztes Mal mit Holger Akkus kaufen, müssen wir doch links" schallt es lautstark durch den Innenraum des Busses. Der Geräuschpegel nimmt schnell weiter zu und schliesslich entdecken wir einen hoffentlich Ortskundigen.
Nach einer apathischen Nachdenksequenz gesellt er sich mit dem gerne gehörten Satz: "Jungs, ich muss da auch hin, wenn ihr mich mitnehmt, zeige ich euch den Weg!" zu uns in den Wagen. Es fallen Sätze wie "Star Club? Links hier... Ach mensch, da war ich früher auch immer" und "Natürlich schon lange her, war ja damals ein Kino... Hatte ich damals Mädchen, usw...".
Wir entlassen den Mann direkt vor dem Club aus dem Wagen und Hilly schafft es ihm vollkommen unpeinlich und liebevoll eine Dose Bier als grosses Dankeschön anzudienen.
Also alles rein da, die steilen Stufen zum Konzertraum hoch. Die Burschen von Kettcar machen schon wieder Soundcheck und so verlaufen wir uns mal wieder ein wenig im Backstageraum. Der ist eigentlich eine komplette Wohnung und immer irgendwie in zwielichtigen Schein getaucht - Ja, so hat man es natürlich gerne... Es weiss sowieso niemand wie spät es nun wirklich ist, da die einzigen allgemeingültigen Zeiteinheiten auf Tour "Vor-Der-Show" und "Nach-Der-Show" heissen.
Zum Soundcheck schafft es der örtliche Tonmensch Christian aus der Fassung zu bringen. Das sieht man nicht oft und daher erzähle ich es euch auch schnell:
Christian hört nichts aus den Monitorboxen, weder sich noch die anderen Menschen um ihn herum auf der Bühne. Nicht gut, eher sogar schlecht.. Weil, der muss ja nun auch singen im Chor. Kann man wie die Preluders machen und alle tuten den gleichen Ton, aber wir handhaben das ja nach guter, alter Tradition in Mehrstimmig.
Durch den Lärm bedeutet er immer wieder, dass da nichts rauskommt und erntet erstmal nur ein Achselzucken, dann ein verärgertes Gesicht. Schliesslich schlufft der Techniker doch noch nach vorne, legt ein Ohr an die Box und hebt den Daumen zum "Okay! Alles super. Geht doch... Kommt was raus" Zeichen.
Christian macht es ihm nach und schüttelt den Kopf. Achselzucken auf der anderen Seite und weg ist der gute Mann. Christian steht wie angewurzelt auf der Bühne und man sieht ihm an, dass er nicht weiss, wie er das jetzt noch weiter erklären soll. Es scheint entweder die Gebärdensprache eine andere zu sein oder einer von beiden ist sehr schnell, sehr taub geworden.
Sein Mund geht auf, klappt wieder zu, er schaut sich zu mir um und tippt sich an die Schläfe. Ich lächle etwas unbestimmt und zucke meinerseits die Achseln. Schliesslich dreht sich Christian nochmal um, schüttelt den Kopf und schaut den Rest des Soundchecks nur noch konsterniert vor sich hin.
Später lässt sich nur noch berichten, dass zwar nicht viel, aber immerhin wohl etwas zu hören war... Habe jedenfalls keinen falschen Ton bemerkt soweit.
Der Rest ist wie in den letzten Tagen: Laden rappelvoll, Auftritt super und wir fühlen uns jeden Tag wohler mit den neuen Songs. Alles geht gut, einige Leute scheinen schon beim letzten Mal hiergewesen zu sein und etliche singen "Goodbye Trouble" veträumt mit oder wippen mit dem Fuss. Ein gutes Gefühl bis hierhin.
Danach schlängeln wir uns durch die Menge vor den Konzertraum, treffen noch den ein oder anderen netten Menschen und wir wollen uns heute mal den Auftritt von Kettcar ansehen. Ging ja mangels Platz nicht in München und Wien, aber der Star Club hat einen Versorgungsgang im Aussenrum und man landet direkt zwischen Bühnenrand und Merchstand.
Ich schaue mir die ersten 4 Songs in Ruhe an, nehme mir irgendwann mein abgstelltes Bier von einem der Tresen und plötzlich packt mir jemand an die Schulter.
"Na dachtste wohl ich wollte dein Bier klauen oder? Nee, so sind wir hier nicht"
Ich antworte schnell, dass dem nicht so sei, ich hätte nur Durst. Ich ziehe den Handrücken über die Stirn und murmele "Ist ja auch verdammt warm hier drin nicht?"
Sehr zärtlich aber bestimmt werde ich weiter an den Koloss herangezogen und er spricht mit lauter und sehr feuchter Stimme einfach weiter in mein Ohr.
"Hör mal, meinst du Kettcar spielen auch mal bei uns? Wir machen ja eigentlich nur Metal und so, aber wir sind ja alle gegen die Nazis oder nicht?" dringt es wirr zu mir durch.
Naja, was soll ich dazu sagen? Bin ja schliesslich nicht der Manager der Hanseaten. Ich will zum Aufklären der Situation ansetzen, aber da ist die Lücke in seinem Redeschwall auch schon vorbei.
Verstehen tue ich zwar nichts von dem was er da sagt, aber wenigstens er scheint sich prächtig dabei zu amüsieren. Immer wieder zwickt er mir in die Schulter oder knufft mir auf den Rücken, während ich öfter mal wieder zur Bühne rüber schaue um wenigstens noch einen klitzkleinen Teil der Show mitzubekommen.
Ich verstehe nur noch Sachen wie "Estnischer Doom-Metal... Geile Typen... Fahren soweit für einen Gig. Super die Jungs" und wundere mich nur noch weiter, was das denn alles soll.
Schliesslich befreie ich mich in einer Redepause mit dem sagenhaft cleveren "'Tschuldige, ich muss mal... Ja sicher, wir reden gleich weiter" und verpisse mich nach draussen. Mist, schon wieder nicht viel mitbekommen vom Auftritt.
So lungern Christian und ich vor dem Eingang herum und beobachten Jonas beim Gespräch mit seinem Vater. Der ist nämlich Professor an der hiesigen Musikhochschule, man sieht, manchmal liegt also doch alles in den Genen. Eine kleine Anzahl an Menschen hält die Hitze drinnen wohl auch nicht aus, gesellt sich zu uns ins Treppenhaus und irgendwann unterschreiben wir einige Plakate und CDs, unterhalten uns nett und haben weiterhin einen schönen Abend.
Danach wird schnell abgebaut, die Busse werden beladen und man erzählt sich den Rest der Nacht noch die ein oder andere Tourgeschichte im Backstageraum.
Irgendwann ist dann doch das Bier alle - wir können da natürlich nichts für, selbstredend - aber der Plan noch wegzugehen wird leider wieder verworfen. Kettcar müssen am nächsten Morgen in Berlin in eine Schule zum Musikunterricht - Nein, nicht zum Lernen, sondern um sowas wie einen Workshop zu veranstalten. Habe ich so verstanden, muss ich aber nochmal nachfragen. Klang aber sehr spassig und aufregend.
Wir begeben uns also wieder in die Neustadt und machen dann schnell das Licht aus. Nur Hilly verstrickt sich noch mit zwei anderen Gästen in irgendeine theologische oder philosophische Diskussion... was eben zwei bekiffte und ein betrunkener Mensch sich so zu erzählen haben.
Der Rest geht morgen in Berlin weiter und das heisst ausschlafen und entspannt fahren.
Wieder mal zu Dank verpflichtet,
Stephan
Sechs nicht mehr ganz taufrische Burschen schlafen immer noch den Schlaf der Entspannten auf einem Parplatz kurz hinter Hof. Das war ja mal so ein richtiger Begriff in der alten BRD... also Hof meine ich, nicht Parkplatz. Da war immer Stau an der Grenze zur SBZ und einmal im Jahr bekam man auch noch "Wetten Dass?" aus irgendeiner Grössenwahnsinns-Halle präsentiert. Ob man damals den Ostlern zeigen wollte, dass es noch schlimmer geht? Frei nach dem Motto "Ach bleibt doch da drüben, wir haben hier auch nur Rotz fürs Volk übrig!"? Wer weiss, aber das sind wirklich die einzigen Dinge die ich mit Hof verbinde. Armselig, ich weiss.
Aber die Sonne scheint trotzdem fröhlich weiter auf pittoreske Landschaften. Solche, die man den Amis immer so gerne als 'typical german' anpreist. Ihr wisst schon: Grüne und schön geschwungene kleine Hügel die sich optisch hervorragend um die mit maximal 200 Leuten beseelten Orte legen. Da wird einem warm ums Herz, das klingt so richtig nach den Gebrüdern Grimm.
Irgendwann schälen sich die Gestalten aus dem Wagen, man macht sich morgenfrisch fertig und begibt sich auf die Suche nach einer Fast-Food-Kette. Irgendwie wirkt das von weitem sichtbare M ein wenig deplatziert, ja fast schon obszön in dieser Landschaft. Egal, vergessen wir mal Kultur und Landschaftsimpressionen, wir haben Hunger und die haben Mahlzeiten mit All-You-Can-Drink-Option.
Die dicken und herrlich rosarot eingefärbten Schinkenwaren ignoriere ich wie immer und bestelle das Übliche: "Einmal EggMcMuffin ohne Schinken und auch so ein Croissant-Ohne bitte werte Dame.... Ach so, ich nehme noch einen Schoko-Muffin und zwei Kaffee dann. Bitte keinen O-Saft."
"Ha ha... ja Peggy hast du das gehört? Alles ohne Fleisch will der... Na das schmeckt doch gar nicht Junger Mann. Und Muffins haben wir auch nicht mehr... Alles gestrichen"
Ja, ja gute Frau die Leier kenne ich schon. Fleisch ist der Ersatz für Geschmack, schon klar. Bayern machte es vor und hier wird sich weiter der Fleicheslust hingegeben.
Natürlich, das ist hier ein Burgerladen, aber man kann ja wohl nach der ankündigungslosen Streichung des GemüseMacs verlangen, dass es wenigstens ein essbares Gericht ausserhalb des Salad-Universums gibt. Schlussendlich bekomme ich dann doch alles so wie ich es wollte, begleitet von einem mildtätigen Lächeln der Kassiererin.
Obwohl die Zeit immer noch nicht zur Eile drängt, brechen wir doch irgendwann auf. Es ist nicht mehr weit bis Dresden und wir finden uns schneller als gedacht in der Dresdener Neustadt wieder. Anders als diese ominöse Wiener Neustadt, liegt die wirklich in der Stadt drin. Wir Piefkes wollen ja nicht so verwirren wie die Ösis.
Gut, das Hostel ist einmal über die Elbe und vorbei an allen Sehenswürdigkeiten und somit weitestmöglich vom Star Club weg, aber dafür haben wir ein nettes Mehrbettzimmer und einen kleinen Balkon zur Strasse raus. Dieser Teil Dresdens entpuppt sich als durchaus gelungene Mischung aus Schanzenviertel, Friedrichshain und Ehrenfeld. Würde sowas irgendwo im Westen existieren, müsste man wohl für die Miete einen langlebigen Kredit aufnehmen oder sein Glück mit dubiosen Termingeschäften an der Börse probieren.
Schön, sehr gelungen hier und wie immer denke ich, dass es so wohl überall vor dem Krieg ausgesehen haben muss. Manchmal bekommt man fast den Eindruck, dass das mit der Zerstörung Dresdens ein wenig übertreiben sein könnte oder man hat einfach in der DDR nicht das Geld gehabt alles nachher abzureissen. Kommt doch einfach mal nach Aachen, da wurde sich stadtplanerisch sehr schön ausgetobt in den Fünfzigern. Einfach die Planierraupe drüber und gut ist.
Wir begeben uns erstmal ins Bett und holen etwas mehr an Schlaf nach. 2 Stunden später machen wir uns hübsch, fahnden nach sauberen T-Shirts zwischen alten Socken und fahren die ganze Strecke zum Star Club zurück.
Der alten paleschen Tradition folgend, kramt jeder in seiner eigenen Erinnerung und versucht den Weg ab der Hauptstrasse zu erinnern. "Jetzt hier links... Nein, rechts!... Ach ja, hier war ich doch letztes Mal mit Holger Akkus kaufen, müssen wir doch links" schallt es lautstark durch den Innenraum des Busses. Der Geräuschpegel nimmt schnell weiter zu und schliesslich entdecken wir einen hoffentlich Ortskundigen.
Nach einer apathischen Nachdenksequenz gesellt er sich mit dem gerne gehörten Satz: "Jungs, ich muss da auch hin, wenn ihr mich mitnehmt, zeige ich euch den Weg!" zu uns in den Wagen. Es fallen Sätze wie "Star Club? Links hier... Ach mensch, da war ich früher auch immer" und "Natürlich schon lange her, war ja damals ein Kino... Hatte ich damals Mädchen, usw...".
Wir entlassen den Mann direkt vor dem Club aus dem Wagen und Hilly schafft es ihm vollkommen unpeinlich und liebevoll eine Dose Bier als grosses Dankeschön anzudienen.
Also alles rein da, die steilen Stufen zum Konzertraum hoch. Die Burschen von Kettcar machen schon wieder Soundcheck und so verlaufen wir uns mal wieder ein wenig im Backstageraum. Der ist eigentlich eine komplette Wohnung und immer irgendwie in zwielichtigen Schein getaucht - Ja, so hat man es natürlich gerne... Es weiss sowieso niemand wie spät es nun wirklich ist, da die einzigen allgemeingültigen Zeiteinheiten auf Tour "Vor-Der-Show" und "Nach-Der-Show" heissen.
Zum Soundcheck schafft es der örtliche Tonmensch Christian aus der Fassung zu bringen. Das sieht man nicht oft und daher erzähle ich es euch auch schnell:
Christian hört nichts aus den Monitorboxen, weder sich noch die anderen Menschen um ihn herum auf der Bühne. Nicht gut, eher sogar schlecht.. Weil, der muss ja nun auch singen im Chor. Kann man wie die Preluders machen und alle tuten den gleichen Ton, aber wir handhaben das ja nach guter, alter Tradition in Mehrstimmig.
Durch den Lärm bedeutet er immer wieder, dass da nichts rauskommt und erntet erstmal nur ein Achselzucken, dann ein verärgertes Gesicht. Schliesslich schlufft der Techniker doch noch nach vorne, legt ein Ohr an die Box und hebt den Daumen zum "Okay! Alles super. Geht doch... Kommt was raus" Zeichen.
Christian macht es ihm nach und schüttelt den Kopf. Achselzucken auf der anderen Seite und weg ist der gute Mann. Christian steht wie angewurzelt auf der Bühne und man sieht ihm an, dass er nicht weiss, wie er das jetzt noch weiter erklären soll. Es scheint entweder die Gebärdensprache eine andere zu sein oder einer von beiden ist sehr schnell, sehr taub geworden.
Sein Mund geht auf, klappt wieder zu, er schaut sich zu mir um und tippt sich an die Schläfe. Ich lächle etwas unbestimmt und zucke meinerseits die Achseln. Schliesslich dreht sich Christian nochmal um, schüttelt den Kopf und schaut den Rest des Soundchecks nur noch konsterniert vor sich hin.
Später lässt sich nur noch berichten, dass zwar nicht viel, aber immerhin wohl etwas zu hören war... Habe jedenfalls keinen falschen Ton bemerkt soweit.
Der Rest ist wie in den letzten Tagen: Laden rappelvoll, Auftritt super und wir fühlen uns jeden Tag wohler mit den neuen Songs. Alles geht gut, einige Leute scheinen schon beim letzten Mal hiergewesen zu sein und etliche singen "Goodbye Trouble" veträumt mit oder wippen mit dem Fuss. Ein gutes Gefühl bis hierhin.
Danach schlängeln wir uns durch die Menge vor den Konzertraum, treffen noch den ein oder anderen netten Menschen und wir wollen uns heute mal den Auftritt von Kettcar ansehen. Ging ja mangels Platz nicht in München und Wien, aber der Star Club hat einen Versorgungsgang im Aussenrum und man landet direkt zwischen Bühnenrand und Merchstand.
Ich schaue mir die ersten 4 Songs in Ruhe an, nehme mir irgendwann mein abgstelltes Bier von einem der Tresen und plötzlich packt mir jemand an die Schulter.
"Na dachtste wohl ich wollte dein Bier klauen oder? Nee, so sind wir hier nicht"
Ich antworte schnell, dass dem nicht so sei, ich hätte nur Durst. Ich ziehe den Handrücken über die Stirn und murmele "Ist ja auch verdammt warm hier drin nicht?"
Sehr zärtlich aber bestimmt werde ich weiter an den Koloss herangezogen und er spricht mit lauter und sehr feuchter Stimme einfach weiter in mein Ohr.
"Hör mal, meinst du Kettcar spielen auch mal bei uns? Wir machen ja eigentlich nur Metal und so, aber wir sind ja alle gegen die Nazis oder nicht?" dringt es wirr zu mir durch.
Naja, was soll ich dazu sagen? Bin ja schliesslich nicht der Manager der Hanseaten. Ich will zum Aufklären der Situation ansetzen, aber da ist die Lücke in seinem Redeschwall auch schon vorbei.
Verstehen tue ich zwar nichts von dem was er da sagt, aber wenigstens er scheint sich prächtig dabei zu amüsieren. Immer wieder zwickt er mir in die Schulter oder knufft mir auf den Rücken, während ich öfter mal wieder zur Bühne rüber schaue um wenigstens noch einen klitzkleinen Teil der Show mitzubekommen.
Ich verstehe nur noch Sachen wie "Estnischer Doom-Metal... Geile Typen... Fahren soweit für einen Gig. Super die Jungs" und wundere mich nur noch weiter, was das denn alles soll.
Schliesslich befreie ich mich in einer Redepause mit dem sagenhaft cleveren "'Tschuldige, ich muss mal... Ja sicher, wir reden gleich weiter" und verpisse mich nach draussen. Mist, schon wieder nicht viel mitbekommen vom Auftritt.
So lungern Christian und ich vor dem Eingang herum und beobachten Jonas beim Gespräch mit seinem Vater. Der ist nämlich Professor an der hiesigen Musikhochschule, man sieht, manchmal liegt also doch alles in den Genen. Eine kleine Anzahl an Menschen hält die Hitze drinnen wohl auch nicht aus, gesellt sich zu uns ins Treppenhaus und irgendwann unterschreiben wir einige Plakate und CDs, unterhalten uns nett und haben weiterhin einen schönen Abend.
Danach wird schnell abgebaut, die Busse werden beladen und man erzählt sich den Rest der Nacht noch die ein oder andere Tourgeschichte im Backstageraum.
Irgendwann ist dann doch das Bier alle - wir können da natürlich nichts für, selbstredend - aber der Plan noch wegzugehen wird leider wieder verworfen. Kettcar müssen am nächsten Morgen in Berlin in eine Schule zum Musikunterricht - Nein, nicht zum Lernen, sondern um sowas wie einen Workshop zu veranstalten. Habe ich so verstanden, muss ich aber nochmal nachfragen. Klang aber sehr spassig und aufregend.
Wir begeben uns also wieder in die Neustadt und machen dann schnell das Licht aus. Nur Hilly verstrickt sich noch mit zwei anderen Gästen in irgendeine theologische oder philosophische Diskussion... was eben zwei bekiffte und ein betrunkener Mensch sich so zu erzählen haben.
Der Rest geht morgen in Berlin weiter und das heisst ausschlafen und entspannt fahren.
Wieder mal zu Dank verpflichtet,
Stephan
PALETOUR - 1. Juni, 20:13
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